Bernard Voïta – Melencolia
Bernard Voïta – Melencolia
Eine Gruppe von Blinden schart sich um einen Elefanten, um sich ein Bild von ihm zu machen. Einer umfasst das Bein und sagt: «Ein Elefant sieht aus wie ein weicher Stamm.» Ein anderer erwischt den Stosszahn, er protestiert: «Im Gegenteil, ein Elefant ist hart und spitzig, er hat eine längliche, gebogene Form.» «Völlig falsch», ruft der Dritte, die Seite betastend: «Ein Elefant gleicht einer flachen Wand mit Unebenheiten.» Der Vierte wiederum hält triumphierend den Schwanz in den Händen und lacht alle aus: «Ein Elefant ist nur ein dünnes Seil.» Sie geraten in einen Streit und schlagen sich die Köpfe ein, weil jeder überzeugt ist, die Wahrheit zu sagen.
Bernard Voïta bezieht sich auf die uralte und hochaktuelle Parabel «Der Streit der Blinden», um sein Interesse an der Fotografie zu illustrieren. Der 1960 in Cully geborene Künstler erregte schon um 1990 internationales Aufsehen: Seine Bilder zeigten banale Dinge des Alltags in einer so akkurat geordneten Unordnung, dass die Betrachter:innen vergeblich nach Halt und Orientierung suchten. Dabei beruhten jene Werke nicht auf Montagen oder Collagen, sondern auf räumlichen Installationen, die er durch die Kamera in irritierende, flächige Bilder übersetzte. Seither hat Voïta dieses fantastische Spiel mit Schein und Sein hartnäckig weitergetrieben. Die Ausstellung präsentiert nun erstmals die komplette Serie Melencolia (2014–2017), deren Titel auf ein berühmtes Werk von Albrecht Dürer anspielt – sinnliche, kluge, listige und zuweilen auch verstörende Illusionen, in denen die Fotografie eine eigene Wirklichkeit erzeugt. Nichts ist so, wie wir es sehen.
Ausstellungsplakat Bernard Voïta – Melencolia, gestaltet von Müller+Hess (Basel), gedruckt von JCM (Schlieren).