FOTOSCHULE – Technische Anleitungen, Ratgeber und Lehrbücher
FOTOSCHULE – Technische Anleitungen, Ratgeber und Lehrbücher
Die Fotografie ist eng mit dem Medium Buch verknüpft. Sobald die ersten fotografischen Verfahren erfunden waren, wurde auch schon daran herumgetüftelt, wie diese Bilder nun drucktechnisch reproduziert in Form von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen auflagestark in Umlauf gebracht werden könnten. Erst die gedruckte Fotografie sorgte für ihre massenhafte Verbreitung, welche ihr letztlich die bis heute andauernde Vorherrschaft innerhalb der visuellen Medien eingebracht hat. Und so ist auch das Sammeln, Bewahren und Vermitteln von Fotografie ohne das Medium Buch nicht denkbar. Während dem monografischen Fotobuch je länger, je mehr Werkcharakter zugesprochen wird, gibt es viele profane und unauffällige Publikationen im Bereich der Fotografie, die erst langsam in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Dazu gehört das breite Feld der Ratgeberliteratur, das von wissenschaftlichen Fachbüchern zu Optik, Chemie und später digitalen Bildverfahren über Grundlagewerke zur Fotopraxis bis zu kurzen Einführungen in Form von schmalen Broschüren reicht.
Einer der wichtigsten Verlage in diesem Bereich wirbt auf dem Umschlag einer Publikation von 1945 folgendermassen: «Der Verlag Wilhelm Knapp in Halle an der Saale ist der älteste und vielseitigste Herausgeber fotografischer Bücher. Seit hundert Jahren begleiten seine Veröffentlichungen Schritt für Schritt den Aufstieg der Fotografie. Seine wissenschaftlichen Werke wiesen ihr neue Wege. Seine Fachbücher verhalfen dem Fotohandwerk zu seiner Bedeutung. Seine Amateurschriften führten der Lichtbildkunst in jeder Generation Scharen neuer Freunde zu.» Dieses Zitat beschreibt treffend die drei Kategorien von Büchern zur Vermittlung fotografischer Grundlagen, die sich auch im Bestand der Fotobibliothek finden: wissenschaftliche Werke, Fachbücher für das Fotohandwerk und Amateurschriften.
In Bezug auf die Buchgestaltung ist auffällig, dass die Publikationen für ein Fachpublikum praktisch ohne Illustrationen auskommen, während diejenigen für EinsteigerInnen umfassend bebildert sind. Dies hat nicht nur praktische Gründe – SpezialistInnen eines bestimmten Wissensgebiets brauchen keine illustrative Einführung in ihr Fach – sondern ist im Bereich der Fotoindustrie auch historisch bedingt. Im 19. Jahrhundert waren die fotografischen Verfahren noch derart komplex, aufwändig und kostenintensiv, dass sie praktisch nur von SpezialistInnen angewandt werden konnten. Ihre Fachbücher bestehen somit vor allem aus Text, Formeln, Tabellen und einzelnen schematischen Darstellungen. Erst die Einführung von flexiblen Kunststofffilmen an Stelle der Glasnegative, die Verkleinerung der Kameras, die Standardisierung der Formate und die Vereinfachung des Entwicklungsprozesses ermöglichte es auch fachfremden Personen, einen Einstieg in die Fotopraxis zu finden, ohne professionelle Ambitionen zu hegen.
So entsteht die Nachfrage nach einfach verständlichen, handlichen und ansprechend gestalteten Einführungen in die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Fotografie. Von der richtigen Wahl der Kamera über die Aufnahmetechnik, die Filmentwicklung und Anfertigung von Abzügen im Labor bis zur Auswahl und Präsentation der fertigen Bilder decken diese Publikationen alles ab. Es wird darin allerdings nicht nur erklärt und informiert, sondern auch einer wachsenden Zahl von AmateurInnen die Fotografie als Freizeitbeschäftigung angepriesen. Dieser Werbeeffekt ist gewollt, nicht selten werden die an ein breites Publikum gerichteten Bücher von Marken wie Kodak, Agfa oder Leica selbst herausgegeben. Werbung und Anleitung vermischen sich. Die massenhafte Verbreitung der Fotografie liegt im wirtschaftlichen Interesse dieser Firmen und kann mit Ratgebern doppelt befördert werden: der Zugang zur Fototechnik wird erleichtert und gleichzeitig ein treuer Kundenstamm aufgebaut.
Der Beginn dieser «Demokratisierung» der Fotografie fällt zeitlich zusammen mit einer Erfindung, welche für die Popularisierung der Fotografie ebenfalls elementar war. Rund 40 Jahre nach ihrer Einführung wird eine drucktechnische Möglichkeit gefunden, Fotografie mit dem auflagestarken Verfahren des Buchdrucks zusammen mit Text auf denselben Papierbogen zu drucken: 1880 wird von Georg Meisenbach in München der Rasterhochdruck (Autotypie) entwickelt. Und 1889 bringt Kodak seine erste Kamera auf den Markt, welche mit dem Werbespruch «You press the button, we do the rest. The only camera that anybody can use without instructions» angepriesen wird. So ist mit diesen beiden Errungenschaften in nur einem Jahrzehnt der Grundstein für die Fotografie als Massenmedium gelegt worden. Technische Anleitungen, Ratgeber und Lehrbücher erzählen von dieser Entwicklung und machen nachvollziehbar, wie jede Zeit ihren eigenen Blick auf die Fotografie und ihre eigene Vorstellung davon hat, was und wie sie abbilden soll.
Elf Abzüge aus der Sammlung der Fotostiftung Schweiz ergänzen die Publikationen in den Vitrinen. Sie zeigen Fotografinnen und Fotografen bei ihrer Tätigkeit im Atelier, im Labor oder im freien Feld und geben einen Einblick in die Einrichtungen früher Fotostudios.