Himmlischer Warenschatz fotografischer Erkenntnisse
Wie sortiert man 30’000 Bücher? Alphabetisch oder thematisch, nach Grösse oder nach Farbe? Und welchen Einfluss hat die Kategorisierung von Büchern auf die Art und Weise, wie wir sie lesen? Die Ausstellung Himmlischer Warenschatz fotografischer Erkenntnisse unternimmt den spielerischen Versuch einer Neuordnung der Fotobibliothek.
In seinem Essay «Die analytische Sprache John Wilkins’» schreibt der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges, es gäbe «keine Klassifikation des Universums, die nicht willkürlich und mutmasslich ist.» Zur Veranschaulichung zitiert er eine fiktive chinesische Enzyklopädie mit dem Titel Himmlischer Warenschatz wohlwollenden Wissens, die Tiere in 14 Kategorien einteilt, darunter «Tiere, die dem Kaiser gehören», «herrenlose Hunde», «Fabeltiere» oder solche, «die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind». Sein Ordnungssystem verdeutlicht nicht nur die Problematik doppeldeutiger oder unscharfer Kategorien, sondern erschafft zugleich eine völlig neue Welt, in der wie selbstverständlich nebeneinandersteht, was andernorts unvereinbar scheint.
In Anlehnung an Borges sortiert die Ausstellung in der Passage den Bestand der Fotobibliothek nach den 14 Kategorien der Enzyklopädie neu. Das Experiment versteht sich als Entdeckungsreise durch die rund 30’000 Titel auf eigenwilligen Wegen, die besondere Fundstücke zum Vorschein bringen und dazu einladen, diese als «Milchschweine» oder «Sirenen» einmal ganz neu zu betrachten. Dabei nimmt sie zugleich das bestehende Ordnungssystem in den Blick und befragt fotohistorische sowie bibliothekarische Kategorien. Dabei wird deutlich, dass die Systematik einer Bibliothek – wie auch jeder anderen Ordnung – niemals neutral und absolut ist, sondern nur eine von vielen möglichen Varianten darstellt. Ergänzt wird die Präsentation durch Arbeiten aus der Sammlung des Fotomuseum Winterthur, die sich auf unterschiedliche Weise mit Vorgängen des Ordnens, Sortierens oder Klassifizierens auseinandersetzen.
Kuratiert von Gwendolyn Fässler und Sonja Palade.