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Fotostiftung Schweiz
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Jakob Tuggener: Ballnächte

27.11.2004–02.03.2005
Fotostiftung Schweiz
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Jakob Tuggener: Ballnächte

27.11.2004–02.03.2005
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Jakob Tuggener, 1904 in Zürich geboren, war gleichzeitig Fotograf, Filmemacher und Maler. Doch vor allem verstand er sich als Künstler. Beeinflusst vom deutschen expressionistischen Film der zwanziger Jahre, entwickelte er einen ausdrucksstarken, poetischen Stil, der nach dem Zweiten Weltkrieg für viele junge Fotografen zum Vorbild wurde. Die Hauptthemen, mit denen sich Tuggener Zeit seines Lebens auseinandersetzte, waren die Arbeit in der Fabrik, das einfache Leben auf dem Land und glanzvolle gesellschaftliche Anlässe wie etwa die Neujahrsbälle im Palace Hotel in St. Moritz, die er während Jahren besuchte.

Die Basis für das hohe Ansehen, das Tuggener heute als Fotograf geniesst, ist sein 1943 publiziertes Buch Fabrik: ein einzigartiger fotografischer Essay über die Beziehung des Menschen zur immer bedrohlicher werdenden Maschinenwelt. Dieses „Bildepos der Technik”, wie Tuggener es nannte, ist als wichtiger Meilenstein in die Geschichte des fotografischen Buches eingegangen, vergleichbar etwa mit Brassaïs Paris de nuit (1933) und Bill Brandts The English at Home (1936). Fast gleichzeitig mit Fabrik wollte Tuggener auch ein Buch über das Leben der Bauern auf dem Land herausgeben, ein Thema, dem er sich während der Kriegsjahre intensiv gewidmet hatte. Doch blieb seine Suche nach einem Verleger für dieses „Bauernbuch“ erfolglos.

Für Jakob Tuggener waren jedoch schon seit den frühen 1930er Jahren die Bälle im Hotel Baur au Lac, im Grand Hotel Dolder in Zürich und später im Palace Hotel in St. Moritz etwas vom Schönsten und Faszinierendsten, was das Leben zu bieten hatte. Noch lieber als in die Fabrikwelt oder das einfache Landleben tauchte er immer wieder mit seiner Leica in die Welt der Luxushotels ein, angezogen vom Glanz der Pelze und Champagner-Gläser, den juwelenbesetzten Décolletés und der zarten Haut von schönen Frauen. Dabei erhaschte er, meist völlig unbemerkt von den illustren Gästen, Details und Momente, Gesichtsausdrücke und Gesten, die er zu zahlreichen filmisch empfundenen Bildserien und Buchmaquetten mit je über 100 Fotografien verdichtete: Intensive Stimmungsbilder zwischen knisternder Erotik und Einsamkeit, Ausgelassenheit und Erschöpfung, Verrücktheit und Traum.

Doch auch Tuggeners Fotografien von Bällen wurden zu seinen Lebzeiten nie als Buch publiziert. Dass sich Leute, die sich vor einer Blossstellung fürchteten, dagegen wehrten, war nur ein Grund. Ein anderer war sicher auch Tuggeners selbstbewusste und kompromisslose künstlerische Haltung, mit der nicht nur interessierte Verleger ihre liebe Mühe hatten. Erst heute und anlässlich seines 100. Geburtstages, genau 35 Jahre nach der ersten umfassenden Präsentation von Tuggeners Ballfotografien in München (in der Ausstellung „Feine Feste“, Neue Sammlung, Staatliches Museum für angewandte Kunst) wird Tuggeners Buchmaquette „Ballnächte 1934-1950“ als unveränderte Originalausgabe herausgegeben – wie es Tuggener immer gewollt hat: als eine Reihe von Fotografien ohne jeglichen Text. In diesem musikalisch komponierten Werk wird der Betrachter wie in einem Stummfilm durch eine rauschende, fast endlos scheinende Ballnacht geführt – Tuggeners Traumwelt, aus der man erst im Morgengrauen wieder auftaucht.

Jakob Tuggener war ein Bilderdichter – der „photographische Dichter römisch I“, wie er sich selbst nannte, ein Augenmensch, mit einem Blick für das Unscheinbare, das vordergründig Nebensächliche. Er hatte ein untrügliches Sensorium für die Poesie des Alltags und ging ganz in seinem eigenen „Erleben“ auf. Wenn er fotografierte, malte und filmte, so tat er dies nie mit dem Ziel, die Wirklichkeit nur abzubilden, sondern Wirklichkeit auszudrücken und eine durch seine subjektive Sicht transformierte, innere Wirklichkeit dem Betrachter zum neuen, eigenen Erleben anzubieten.