Poetics of Search – Poetik der Suche
Poetics of Search – Poetik der Suche
Die Ausstellung Poetics of Search – Poetik der Suche macht erstmals den Prozess des Suchens in den Onlinedatenbanken des Museums sowie dem Onlinekatalog der Fotobibliothek zum zentralen Gegenstand der Reflexion und Präsentation. Die Suche als Form und Inhalt gestaltende Akteur*in du als zentrales Element kuratorischer und künstlerischer Praxis zu reflektieren, motiviert das Projekt dieser Ausstellung.
Das Suchen als wichtiges Element des Recherchierens erforderte über Jahrhunderte das Besuchen realer Räume und die Kooperation mit Menschen wie Sammler:innen, Archivar:innen, Registar:innen und Bibliothekar:innen. Diese Bewegungen und Kontakte werden zunehmend durch die Nutzung von Suchmaschinen und Datenbanken ersetzt, die es erlauben digitalisierte Sammlungen und Archive online zu navigieren. Diese Veränderung ist nicht nur eine infrastrukturelle, sondern eine grundlegende Transformation der Art und Weise wie Ideen und Kultur geformt werden, Wissen entsteht und Ausstellungs-Narrative entwickelt werden.
Durch digitale Verwaltung von Sammlungen und Archiven navigieren wir Fotografien tagtäglich durch Texteingaben in Suchfelder. Im Unterschied zu dem Durchsehen von physischen Ordnern, Mappen, Kisten oder Regalen, in denen wir durch Stapel von Fotografien blättern, ist die digitale Begegnung mit und das Finden von Fotografien heute durch Text moderiert. Die Ausstellung versteht die digitale Suche als kulturelle Praxis, als Pfad durch nie dagewesene Datenmengen und Informationen, der Wissens- und Kulturprozesse unserer Gegenwart formt.
Die Museumssammlung, -Bibliothek und -Archive definieren sich nicht nur über die Objekte, die sichtbarer Bestandteil der Institution sind, sondern formen ihren Charakter in selbem Masse über ihre Leerstellen: Absenzen, Auslassungen, Das was nicht gesammelt, nicht aufgehoben wurde – oder schichtweg nicht erfasst, nicht benannt oder verschlagwortet unauffindbar und damit unsichtbar bleibt. Die Perspektiven derjenigen, die sich in Sammlungen nicht repräsentiert finden, transformieren den Geltungsanspruch der Parameter, nach denen ausgewählt wurde und bestärken die Relevanz einer kontinuierlichen Revision und der Notwendigkeit eigene Sammlungen immer wieder neu zu befragen.
Wie kann ein Zwiegespräch mit einer Stimme, die Poesie, Aktivismus und Empowerment verknüpft, entstehen und die Sammlung dadurch neu lesbar machen? Wie kann ein lyrischer Text in eine Anordnung von Fotografien übersetzt werden? Wie wird ein Gedicht in ein einziges fotografisches Bild synthetisiert? Um Akteur:innen aus der Vergangenheit mit der Sammlung und den Archiven in Dialog treten zu lassen und diese mit Blick auf ihre Erfahrungen zu befragen, wurden zwei Gedichte als Suchtexte ausgewählt. Die Gedichttexte wurden dann in die Suchfelder der Datenbanken der Sammlung des Fotomuseums, der Fotostiftung, der Fotobibliothek und ihrer digitalen Archive eingegeben und resultierten in fotografischen Suchergebissen oder blieben unbeantwortet.
Die Texte wurden nach den Kriterien unterrepräsentierter Stimmen ausgesucht, die aktuelle Diskurse der Revision öffentlicher Sammlungen spiegeln. Diese aktuelle Diskussion fokussiert Frage, wer in öffentlichen Museumssammlungen nicht repräsentiert, wessen Stimme nicht gehört, wessen Perspektive nicht gesehen wird, und betont dadurch einmal mehr die Relevanz Leerstellen in den Blick zu rücken. Es wurden Autor:innen gewählt, die die kolonialen Strukturen sprachlicher Geografien reflektieren, aktivistische und schreibende Praxis verknüpfen sowie Machgefüge hinterfragen und destabilisieren: Audre Lordes Gedicht «Who Said it Was Simple» (1973) und das Gedicht «My tongue is divided into two» (2004) von Quique Aviles.
Die Ausstellung bezieht sich dabei spielerisch auf Konzepte wie David Joselits «Epistemologie der Suche», um zu erproben wie die Suche als Form und Inhalt gestaltende Akteur*in kultureller Gegenwart wirksam ist und unsere Ideenfindungen, Wissensbildung, Auswahlprozesse und Gedanken formt. Es ist der Versuch, die Suche als Akteur:in zu reflektieren und als Erzähler:in einzuführen.
Die Ausstellung versteht sich auch als Einladung, die Suche als kritische wie experimentelle Praxis zu begreifen und hier selbst neue Zugänge zu erproben.
Kuratiert von Nadine Isabelle Henrich, Fellow im Programm «Museumskurator:innen für Fotografie» der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung